Thriller: Seelenfall – Die Wahl (Episode 26)

Episode 26

Die Wahl

Der Mann im Anzug stellte Faith vor eine schwierige Wahl, wenn sie aus dieser Höhle entkommen wollte.
“Alles was du dafür tun musst, ist den Kontakt zu Jordan abzubrechen und ihm die kalte Schulter zu zeigen, wenn du wieder aufwachst. Es wird nicht leicht werden, doch du wirst nie wieder mit ihm zusammen sein können.”

„Was soll das bedeuten, ich soll ihm die kalte Schulter zeigen und den Kontakt abbrechen? Nach allem, was er für mich getan hat?“, fragte sie ihn vorwurfsvoll.
Der Mann im Anzug nickte ruhig.
„Das ist die Bedingung dafür, dass ich dich hier raushole. Jordan ist immerhin mit Schuld daran, dass du hier gelandet bist, erinnerst du dich?“, fragte ihn der Mann.

Faith erinnerte sich an die besagte Nacht, doch sie gab sich selber die Schuld. Sie hatte sich im Rausch des Alkohols naiverweise eine der synthetischen Tabletten eingeschmissen, die sie in Jordans Apartment gefunden hatte. Pharmazeutische Erzeugnisse, die in einem komplizierten, chemischen Verfahren hergestellt wurden und die sie als Kaugummi-Drops abgetan hatte.
„Ich selbst habe mich in diese Situation gebracht. Jordan hat nichts gemacht, was mich gefährdet hätte.“

Er richtete seine rote Krawatte zurecht und fuhr fort.
„Das will ich bezweifeln. Du hast an diesem Abend im Club Alkohol getrunken, weil dich Jordan dazu verführt hat. Das eine hat zum anderen geführt und am Ende bist du in seinem Apartment gelandet.“
„Das waren immer noch meine Entscheidungen“, verteidigte sich Faith.
Der Mann im Anzug wurde ungeduldig.
„Wie auch immer, Faith. Willigst du meinem Angebot ein, dann kann ich dich hier rausholen. Jedoch musst du dich danach zwingend an die Abmachung halten. Ich will nicht ganz so streng mit dir sein und gewähre dir nach dem Erwachen aus deinem Koma einen kurzen Plausch und einen Abschied von Jordan. Doch spätestens nach der Entlassung aus dem Krankenhaus musst du dich von Jordan distanzieren.“

Faith dachte darüber nach, wieso der Mann im Anzug Jordan aus ihrem Leben verbannen wollte.
„Wieso willst du mich so dringend von Jordan fernhalten, wenn ich wieder unter den Lebenden weile?“
Der Anzug-Mann grinste schelmisch.
„Nennen wir es ausgleichende Gerechtigkeit. Er hat dich in diese Situation geführt, sowohl aktiv als auch passiv, aber er ist definitiv mit verantwortlich für deine Misere.“

Faith wollte diesem Mann nicht die Samariter-Rolle abkaufen, die er ihr weis machen wollte. Er schien ihr nicht der Typ Mann zu sein, der anderen Menschen etwas Gutes tun wollte.
„Und was, wenn ich mich heimlich mit ihm treffe? Was willst du dann machen?“, fragte sie ihn herausfordernd.

Der Anzug-Mann konnte ein weiteres, boshaftes Grinsen nicht vermeiden.
„Dann… liebe Faith, werde ich als Erster davon erfahren und unser Deal wird ungültig und somit nichtig. Im Anschluss wirst du an einen der unzähligen Orte der Unterwelt meiner Wahl verbannt. Und das zu einer beliebigen Zeit. In einem Moment, an dem du es nicht erwarten wirst. Nur dass es dieses Mal eine Reise ohne Rückfahrkarte sein wird. Du wirst für immer gefangen sein. Im Nichts und in der Zeitlosigkeit. Ohne Hoffnung auf Rettung und deine Seele wird auf ewig eingesperrt sein“, sprach der Mann mit einer kühlen Intelligenz.

„Du willst mich wieder an so einen Ort wie diesen bringen, wenn ich mit Jordan Kontakt aufnehme?“, fragte Faith angewidert.
„Das ist richtig, Faith. Dann gibt es kein Entkommen mehr.“
„Und was, wenn ich deinen Deal nicht annehme und einfach hier bleibe? Immerhin besteht eine kleine Chance, dass ich eines Tages wieder von selbst aus dem Koma erwache.“
„Diese Chance besteht gewisslich. Doch hast du darüber nachgedacht, wie lange die Ärzte dich noch am Leben erhalten werden? Sie haben dich fast aufgegeben, Faith. Wie ich schon sagte, Jordan ist der Einzige, der noch an dich glaubt. Selbst deine Eltern zweifeln an deiner Rückkehr. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie deine Maschinen abstellen werden.“

Tränen der Entmutigung rannen erneut ihre Wangen herunter. Die missliche Lage, in der sich Faith befand, wurde ihr zunehmend bewusster. Doch sie hatte ein schlechtes Gefühl bei dem Mann im Anzug. Seine Absichten waren nicht nobel, sondern dienten seinem eigenen, grausamen Zweck. Sie konnte diesen Deal unmöglich annehmen.

Der Mann im Anzug meldete sich wieder zu Wort.
„Ich weiß, dass du traurig bist, Faith. Lass mich dir helfen und diesem ganzen Albtraum ein Ende setzen. Nun, denn… Wie wirst du dich entscheiden? Kann ich auf dich zählen oder willst du hier weiter versauern?“, fragte er sie ein letztes Mal.

„Lieber versauere ich weiter in dieser dunklen Höhle, als deinem miesen Angebot zuzustimmen“, sagte sie entschlossen.
Der Anzug-Mann, der fest mit einer Zusage gerechnet hatte und sich auf die Umsetzung seiner Pläne gefreut hatte, machte ein enttäuschtes Gesicht, bevor er wieder zu grinsen begann.
„So sei es, Faith. Ich hoffe, du wirst deine Entscheidung nicht bereuen.“

Eine Wolke aus Rauch und Staub wirbelte wie aus dem Nichts vor ihm auf und ehe sie sich versah, war der Mann im Anzug von der Bildfläche verschwunden und ließ sie alleine in einer dunklen Höhle zurück, in der sie noch eine lange Zeit der Einsamkeit und des Wahnsinns verbringen sollte.

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Thriller: Seelenfall – Die Jugend