Thriller: Seelenfall – Die Höhle (Episode 25)

Episode 25

Die Höhle

Nach einem tiefen und langen Schlaf, öffnete Faith einige Stunden später zum ersten Mal wieder ihre Augen, als sie sich mit zunehmender Panik bewusst wurde, dass sie sich immer noch in der dunklen und angsteinflößenden Höhle befand. Die Böden waren feucht und die Wände waberten unwirklich, so wie sie es von der Beschreibung einer Fata Morgana kannte.

Ihre Erinnerungen holten sie ein und Faith konnte einen Schatten neben einem schwarzen Altar ausmachen, der zu dem wurde, was sie schon vor ihrem Tiefschlaf gesehen hatte. Die Umrisse eines Mannes wurden sichtbar, als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Der seltsame Mann, der einen Anzug mit einer roten Krawatte trug, war dort in der Mitte des Raumes und beobachtete sie geduldig.

Er lehnte immer noch an dem schwarzen Altar und schaute sie erst besorgt und dann verständnisvoll an und lächelte anschließend schelmisch. Er verließ den Altar und näherte sich Faith, die immer noch auf dem Boden der Höhle lag. Doch jetzt lag eine alte Decke auf ihr, die sie zur Seite schob, als sie sich versuchte aufzurichten.

Für einen Moment herrschte Schweigen in der Höhle, bevor er sich zu Wort meldete.
„Wie ich sehe, geht es dir wieder etwas besser“, sprach er in die Dunkelheit hinein. Das Licht von vier Kerzen, die in gleichen Abständen an den Wänden des Raumes aufgestellt waren, beleuchteten sein Gesicht nur spärlich und ließen ihn zwielichtig und gefährlich erscheinen. Doch seine Stimme klang beruhigend und natürlich.

„Das war ziemlich knapp in dem Tunnel, nicht wahr? Wie du es von diesem verlassenen Pool auf der Insel in den unterirdischen Tunnel bis hin zu meinem Versteck geschafft hast. Das war beeindruckend.“
Faith wusste nicht, was sie darauf antworten sollte und schwieg. Doch dann zwang sie sich, diesem mysteriösen Mann zu antworten.

„Es hat nicht mehr viel gefehlt und ich wäre in diesem Tunnel ertrunken.“
Dann fuhr sie fort. Sie brauchte Antworten von diesem Mann.
„Was ist das für eine Höhle hier und wer bist du? Und wieso nennst du diesen grauenvollen Ort dein Versteck?“

„Ich bin ein Verbündeter, der dir diese Gemächer für deine Rettung bereitgestellt hat. Du befindest dich in einer der vielen unterirdischen Höhlen der Unterwelt, dein irdischer Körper weilt auf der Erde, während du in deinen Träumen umherwanderst.“

Faith wurde nervös. Dieser Kerl wusste von ihrem Schicksal. Was spielte er für eine Rolle in dem Ganzen? Eine innere Stimme sagt ihr, dass sie es noch früh genug erfahren würde.

„Du hast mich gerettet und dafür bedanke ich mich. Es stimmt also, dass das alles nur ein Traum ist, der Hüter der Hütte hatte mich schon vorgewarnt. Doch was suche ich ausgerechnet in der Unterwelt? Und wieso haben mich diese riesigen Wellen aufgehalten, als ich von der Insel entfliehen wollte?“

Der Mann im Anzug machte ein paar weitere Schritte und schlenderte mit den Händen in den Taschen direkt neben Faith und kniete sich langsam neben sie und begann zu erzählen.

„Gern geschehen. Weißt du, in diesen Dimensionen ist nichts unmöglich, Faith. Manchmal führt dich der Weg in deinem Geist in das Licht und hin und wieder landest du in der Dunkelheit. Die Wellen haben dich aufgehalten, weil du dich von der Insel entfernen wolltest. Es sind mysteriöse Kräfte am Werk, unvorstellbare Mächte, jenseits deines Vorstellungsvermögens, deren Zahnräder unaufhörlich mahlen und das Geschehen beeinflussen.“
Der Mann im Anzug machte eine kurze Pause und ließ das Gesprochene auf sie einwirken.

„Erinnerst du dich an die elektrifizierte Atmosphäre in der Hütte? Dieses Etwas hat ein Auge auf dich geworfen und ist auf dich aufmerksam geworden, als du diese Welt betreten hast. Es ernährt sich von der Reinheit und der Unschuld von Menschen und lechzt danach, sich diese anzueignen. Als du dich entschieden hast, den Tunnel zu wählen, bist du unbemerkt durch ein Portal von Raum und Zeit geschwommen. Das Licht hat dich in eine weitere der unzähligen Dimensionen geführt, fern von der Realität physikalischer Gesetze, die dir von der Erde bekannt sind“, erzählte er.

Faith bekam es mit der Angst zu tun, als ihr ein Schauer über ihren Rücken lief.
Etwas jagte sie? Und sie war durch Raum und Zeit gereist?

„Ist das wahr? Und wieso bin ich durch Raum und Zeit gereist und ausgerechnet hier gelandet? Kann mich diese Präsenz bis in diese Höhle zurückverfolgen?“

Der Mann im Anzug grinste schadenfreudig.
„Es ist kein Zufall, dass du hier bist, Faith, denn ich habe nachgeholfen und das Portal geöffnet, um dich zu sprechen. Hier bist du sicher. Vorerst.“
„Und was wollen Sie von mir? Mir helfen?“, fragte Faith misstrauisch.
„So kann man es bezeichnen. Doch du musst mir auch helfen, Faith, wenn du hier raus willst.“
„Bei was genau soll ich helfen?“
Der Mann im Anzug wirkte ruhig und gelassen.
„Du musst etwas für mich erledigen, wenn du wieder aus deinem Koma aufwachst. Es ist eine einfache Aufgabe.“
Faith zögerte. Es war mehr eine Aufforderung als eine Bitte.
„Und die wäre?“

Der Mann im Anzug grinste hämisch.
„Erinnerst du dich an Jordan, mit dem du zusammen warst, bevor du in diese Welt kamst?“, fragte er sie.
Jordan.
Wie konnte sie ihn vergessen, nach allem was passiert war.

„Er ist seit dem Beginn deines Komas jeden Tag neben dir an deinem Bett, und betet zu Gott, dass du zurück kommst und spricht zu dir.“
Faith spürte Jordans Anwesenheit, als plötzlich ein riesiges Bild auf der Höhlenwand erschien, die sie, Faith, mit zahlreichen Schläuchen und einem Beatmungsgerät auf dem Bett zeigte und einen sorgenvollen Jordan, der zu ihr sprach. Bilder flackerten über die Höhlenwand und zeigten weitere Ausschnitte von ihnen, wie er bei ihr war, ihr Aufmerksamkeit schenkte und für sie betete.

Faith war emotional, als sie diese Szenen in der Höhle sah. Zwei Tränen kullerten aus ihren Augenwinkeln.
„Das ist so lieb von ihm. Das wusste ich nicht.“
Der Mann im Anzug konnte sich ein weiteres Grinsen nicht verkneifen.
„Er passt auf dich auf und kümmert sich liebevoll um dich, wie du sehen kannst. Und das seit dreihundertsechzig Tagen“, sagte der Mann im Anzug kühl und berechnet.
Faith wurde blass, als sie das hörte.
„Fast ein Jahr ist vergangen? Das ist schrecklich.“
Weitere Tränen rannen ihr zärtliches Gesicht herunter.

Der Mann im Anzug wischte ihr mit seinen Fingerspitzen die Tränen aus dem Gesicht. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Seine Mimik, die zuvor Empathie und Verständnis gezeigt hatte, wandelte sich in einen kühlen Cocktail aus Schadenfreude und Kälte.
„Das ist schrecklich, Faith. In wenigen Tagen ist das Jahr komplett. Die Ärzte haben dich schon fast aufgegeben, ebenso deine Familie. Und man erwägt, die Maschinen abzuschalten, die dich am Leben erhalten. Nur Jordan glaubt noch an deine Rückkehr. Er ist der einzige Mensch, der noch an dich glaubt.“

Faith konnte ihre Emotionen kaum noch im Zaum halten und konnte ihre Tränen nur mit Mühe zurückhalten. Alles was sie wollte, war jetzt voller Sehnsucht in die Arme von Jordan zu fallen und ihn zu umarmen, ihn zu küssen und bei ihm zu sein.
„Ich kann dich von hier wegbringen, Faith“, sagte der Mann im Anzug.
Faiths Hoffnung war wieder da.
„Alles was du dafür tun musst, ist den Kontakt zu Jordan abzubrechen und ihm die kalte Schulter zu zeigen, wenn du wieder aufwachst. Es wird nicht leicht werden, doch du wirst nie wieder mit ihm zusammen sein können.“

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