Thriller: Realitäten eines Androiden – Ein nützlicher Help-Bot (Episode 4)

Episode 4

Ein nützlicher Help-Bot

Verwundert und begeistert zugleich entdeckte Jeff die Überraschung, die in seinem neuen Büro auf ihn wartete, als ein Dutzend synthetischer Lebewesen zeitgleich ihre Augen öffneten und ihn anstarrten. Darunter befanden sich auch zwei Roboter auf bereiften Riesenrädern, die sich Help-Bots nannten.
„Herzlich Willkommen, Mr. Revven. Es ist uns eine Ehre, Sie kennenzulernen.“

In einem gemeinsamen Chor sprachen all diese künstlichen Geschöpfe ihre vorprogrammierten Sätze aus, die Jeff fast absolut synchron und natürlich erschienen.  Bis auf ein paar Ausnahmen sah er unter ihnen viele fähige Androiden, die in faszinierender Weise wie gewöhnliche Leute aussahen.

Bei den Robotern der ältesten Generationen hörte sich dieser Satz jedoch kaum noch authentisch an. Eine typische, metallische Roboterstimme, monoton und kühl, die kaum zu überhören war. Die Humanoiden und Androiden hatten scheinbar eine deutlich ausgefeiltere Sprachsoftware an Bord. Ihre Stimmen hörten sich an wie die von echten organischen Menschen. Ein Unterschied war nicht bemerkbar.

„Wie Sie sehen, Mr. Revven, sind das unsere wichtigsten Angestellten in diesem Gebäude. Von links nach rechts können Sie hier die chronologische Reihenfolge der Entstehung erkennen.“
Während Dr. Brievs an den Syntheten vorbeischlenderte, zeigte er hier und da auf besondere Merkmale der Baureihe.
Als sie wieder am Anfang der Reihe standen, konnte sich Jeff kaum noch halten. Er wollte alles über diese Roboter, Humanoiden und Androiden erfahren.

„Faszinierend, Doktor. Was hat es mit den älteren Robotern auf sich, die keinerlei Ähnlichkeit mit einem Menschen haben und nicht dem menschlichen Bewegungsschema entsprechen?“, fragte Jeff den Doktor interessiert.

„Diese Roboter der Baureihe A, darunter die relevantesten Exemplare wie der Helpbot A-101 und A-102, werden für Wartungsarbeiten, Putz- und Aufräumaufgaben eingesetzt. Ihre Denkprozesse sind stark begrenzt.“
„Ich verstehe. Dann können diese Roboter also nicht eigenständig mit mir kommunizieren.“

„Das ist so nicht ganz richtig. Wie Sie bereits gehört haben, besitzen diese auch eine Spracherkennungs- und Sprachausgabesoftware. Vor etwa einem Jahrzehnt konnten sie weder sprechen, noch verstehen.“
Jeff nickte und hörte aufmerksam zu.

„Diese Help-Bots, wie wir sie hier in der Anlage nennen, wurden jedoch generalüberholt und werden mit regelmäßigen Updates optimiert. Damals wurden ihnen lediglich Programmcodes impliziert. Doch diese Art von Programmierung war störanfällig und viel zu oft mussten wir nachfassen, damit sie richtig funktionieren. Diese Probleme sind jedoch Geschichte. Die Bots funktionieren jetzt besser als je zuvor.“

Jeff schaute sich den Roboter A-101 genauer an, der in der Reihe ganz links vor ihm stand. Die Reifen waren etwa einen halben Meter hoch und mit dem Torso dieses Roboters verbunden. Seine Hülle war komplett metallisch und seine zwei stabilen Räder konnten mit Hilfe des integrierten Motors auf bis zu zehn Meter pro Sekunde beschleunigen.

Außerdem besaßen diese Roboter Metall-Greifarme, die sie ein- und ausfahren konnten. Zahlreiche, quadratische und runde Gravierungen auf der Torso-Oberfläche ließen darauf schließen, dass diesem Roboter noch viele weitere, geheime Werkzeuge in versteckten Schubladen und Fächern zur Verfügung standen.

Auf dem Torso war ein zylinderförmiger Kopf montiert. Auf der Oberfläche des Zylinders befanden sich weitere runde Gravierungen. An der Vorderseite des Zylinders waren zwei große blaue, verpixelte Kameraaugen zu sehen, die ihn leuchtend anstarrten.
„Sind das seine Augen und können Sie mich denn sehen?“, fragte Jeff den Doktor.
„Selbstverständlich, Mr. Revven. Alle unsere Syntheten und Roboter haben Augen, können sprechen und bis zu einem gewissen Grad denken und Entscheidungen treffen.“

„Das ist genial, Doktor. Was ist an dem A-102 anders als beim A-101 Help-Bot?“
„Die A-102 Reihe wurde entwickelt, um diese Roboter auch kommerziell vertreiben zu können. Sie können in menschlichen Haushalten eingesetzt werden, haben ein feinmotorisches Tuning erhalten und erfüllen fast jeden Wunsch unserer Bürger.“

„Sie meinen, dass diese Bots Essen zubereiten, kochen und Wäsche machen können? Eine Art Hausdiener für Menschen?“, hakte Jeff nach.
„Mehr als das. Je nach Kundenwunsch können sie als Smart-Home-Assistenten eingesetzt werden. Dann können Sie Ihre Rolläden, Ihre Musikanlage oder Ihren Kühlschrank damit steuern. Per Spracherkennung.“
„Das ist ein Geniestreich. Und die A-101er Reihe wird in Fabriken und technischen Einrichtungen eingesetzt?“

„Die Help-Bots der Reihe A-101 werden Sie in unserer Firma überall herumschwirren sehen. Sie kümmern sich um die Reparaturen der elektronischen Türen, um die Säuberung des Geländes und das Reinigen der Büroräume. Außerdem sind sie die Wachhunde der Station und schlagen Alarm, sobald hier unerwünschte Eindringlinge auftauchen.“
„Ganz schön nützlich. Wie heißt du, mein Freund?“, fragte Jeff scherzhafterweise den Help-Bot A-101.

„Willkommen auf der Station, Mr. Revven. Mein Name ist Help-Bot A-101. Spezialisierungs-Code: X9102, Wartung und Reinigung.“, erwiderte der Help-Bot freundlich und mit robotischer Stimme.
„Freut mich, dich kennenzulernen“, erwiderte Jeff amüsiert.
„Mich freut es auch, Sie kennenzulernen, Sir Revven.“
„Was hat es mit deinem Spezialisierungs-Code auf sich?“, fragte Jeff interessiert.
„Jeder Bot, Humanoid oder Android verfügt über einen einzigartigen Spezialisierungs-Code, der ihm bestimmte Befugnisse und Berechtigungen erlaubt und ihm seine Aufgabengebiete zuteilt.“

„Welche Befugnisse sind mit dem Spezialisierungs-Code: X9102 verbunden?“, fragte Jeff den Help-Bot, der ihm immer sympathischer wurde.
„Zugriffe auf sämtliche Etagen und Räume im Gebäude, um Wartungs- und Reinigungsarbeiten durchführen zu können.“
Höchstinteressant, dachte sich Jeff. Gut zu wissen.

Doch bevor Jeff weitere Fragen stellen konnte, unterbrach Dr. Brievs das Frage-Antwort-Spielchen zwischen Jeff und dem Help-Bot A-101.
„Mr. Revven, ich will Ihre netten Gespräche ungern stoppen, doch wir haben momentan leider nicht so viel Zeit für solche Konversationen. Der Zeitplan ist eng gestrickt. Lassen Sie uns die weiteren Modelle ansehen und dann werde ich Sie über Ihre ersten Aufgaben in unserer Institution aufklären. Sie können schon bald lange und ausführliche Gespräche mit unseren Angestellten führen. Das verspreche ich Ihnen.“

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