Thriller: Seelenfall – Verfallen (Episode 10)

Episode 10

Verfallen

In der dunklen Gruft, in der Jordan gefangen war, konnte man nur eine atmende Hülle eines Menschen sehen, der auf dem Boden lag, tief schlafend und ruhend, und der sich nur rührte, um langsam zu atmen. Der dunkle Fürst schaute auf ihn herab und konnte seinen stinkenden Schweiß riechen.
Was für eine Ironie das doch ist. Diese armselige Gestalt auf dem Boden befindet sich schon wieder in einer Art Koma. Obwohl er eigentlich schon im Koma ist, seitdem er den Unfall in der realen Welt erlebt hat. Und die Erinnerung, dass er sich in der Gruft befindet, existiert in seiner Vergangenheit nicht. Das ist perfekt.

Jordan hatte vergessen, dass er sich in Wirklichkeit hier in diesem künstlichen Vorhof der Hölle befand. Und schon gar nicht wusste er, dass er in Wirklichkeit um Jahre gealtert in einem Krankenhaus lag, in dem seine Frau und sein Kind um ihn trauerten. Das Wissen um diese Wahrheit war durch den Dimensionswechsel einfach verpufft und hatte sich in Luft aufgelöst.

Für den Dämonen war es ein einfaches Spiel. Er konnte sich in jede Phase von Jordans Vergangenheit einschleusen, um ihn zu beobachten. Momentan befand sich Jordan bei der Feier seines 19. Geburtstags und war kurz davor, ein junges Mädchen namens Faith abzuschleppen. Er hatte sie schon soweit bekommen, dass sie Sympathie für ihn empfand. Auch hatte er sie zum Alkohol verführt und nun war sie ihm hoffnungslos verfallen. Es würde genau so laufen, wie es sich der Dunkle vorgestellt hatte.

Jordan verstand nicht genau, was er in dieser seltsamen Vision über Faith und ihn gesehen hatte. Doch es beschäftigte ihn, obwohl er eine heiße Lady an seiner Seite hatte. Faith, die ihn anfangs beeindruckt hatte und noch immer faszinierte, war anschmiegsam und anhänglich geworden und klebte regelrecht an ihm dran. Sie schlug ihm erneut vor, dass sie den Club verlassen sollten, um an einen ruhigen Ort zu gehen. Er wusste, was das hieß. Sie wollte einen Schritt weiter gehen und ihm gefiel der Gedanke.

Er schaute in die Runde und sah sich seine Freunde an, die der Abend ganz schön mitgenommen hatte. Westhill nippte an einer neuen Flasche Wasser, die er sich von der Bar geholt hatte und unterhielt sich mit Johanna. Fit sah er jedoch nicht aus. Mercal hingegen hatte mit Lilly gemeinsam die Tanzfläche erobert und keiner würde ihn so leicht davon abhalten, sich auf die Lady zu konzentrieren, die er sich geangelt hatte. Er würde die Nacht über in diesem Club bleiben, das war sicher. Am Ende würde er die schöne Rothaarige um seine talentierten Finger wickeln. Oder sie ihn um ihre. Wie man es auch sah, es würde bei den beiden höchstwahrscheinlich ein Happy End geben.

Manson hatte am wenigsten vom Abend gehabt und bei ihm würde es nicht mehr lange dauern, bis er seine sieben Sachen packen würde. Er sah müde und erschöpft aus, die Menge an Alkohol war einfach zu viel für ihn gewesen. Vielleicht würde er seinen Kumpel noch nach Hause begleiten. Westhill hatte immerhin noch Johanna zum Reden. Er konnte den Abend entspannt abklingen lassen, wenn er sich vom Alkohol fernhielt. Ob da noch was gehen würde, war fraglich. Jedoch schien Johanna nicht ganz abgeneigt zu sein. Mercal begnügte sich mit Lilly und war voll dabei. Jordan widmete sich dem heutigen Verlierer des Abends.

„Manson, mein Freund. Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Jordan seinen Kumpel, der sich den Abend selbst versaut hatte.
„Geht soweit. Hab wohl einen zuviel gehabt. Doch es ist immer noch dein Geburtstag, Jordan“, antwortete er müde lächelnd.
„Mach dir nichts draus, Mans. Faith und ich haben uns überlegt, den Club zu verlassen und zu mir nach Hause zu fahren. Wenn du möchtest, können wir dich im Taxi mitnehmen und dich bei dir ablassen. So können wir uns die Kosten teilen“, schlug Jordan ihm vor.
Da es Manson übel war und er hungrig und erschöpft war, hatte er nichts dagegen einzuwenden.
„Da bin ich dabei. Ich langweile mich hier sowieso nur noch. Und eine Braut werde ich heute wohl auch nicht mehr überzeugen können.“

Sie verabschiedeten sich von ihren Freunden und wie von Jordan erwartet, blieb der Rest noch im Club. Mercal und Lilly winkten ihnen beim Tanzen amüsiert zu, ohne sich richtig um sie zu kümmern. Sie hatten scheinbar nur noch Augen für sich. Das war jedoch völlig in Ordnung für Jordan. Auch Westhill wollte noch mit Johanna auf den Kreissofas entspannen. Faith, Jordan und Manson verließen den Club und bestellten sogleich ein Taxi. Als das Taxi kam, machten sich Faith und Jordan auf dem Rücksitz breit, während es sich Manson vorne auf dem Beifahrersitz gemütlich machte.

„Wohin solls gehen?“, fragte der Taxi-Fahrer und blickte Jordan über den Rückspiegel an. Manson konnte er leider nicht mehr fragen, da er innerhalb kürzester Zeit eingenickt war.
Jordan nannte ihm die beiden Adressen und spürte sogleich die wilden und feuchten Küsse von Faith an seinem Hals und auf seinen Lippen. Das Gefühl war überwältigend. Diese Frau hatte schöne volle Lippen und war ihm verfallen. Doch wollte er sie nicht selber an diesem Punkt haben? Hatte er sie deshalb dazu verführt, Alkohol zu trinken? Diese Fragen konnte er sich mit Leichtigkeit beantworten.

Es dauerte nicht lange und der Taxifahrer bog auch schon bald in die Straße von Mansons Elternhaus ein. Sie weckten ihn und Jordan begleitete seinen betrunkenen Kumpel bis zur Haustüre. Danach stieg er wieder in den Wagen ein, um Faith wild und verführerisch zu küssen. Sie erwiderte seine Küsse, indem sie ihn vom Hals aufwärts bis zu den Ohrläppchen küsste. Als der Taxifahrer erneut hielt, waren sie endlich da. Jordan konnte es kaum erwarten, noch weiter zu gehen. Er hatte Glück, dass er mit seinem kleinen 1-Zimmer Apartment seinen Kollegen voraus war. Er bezahlte den Taxifahrer, legte seinen Arm um die Hüfte von Faith und verschwand mit ihr in seiner Wohnung.

Spannend? Dann lesen Sie hier das nächste Kapitel: Seelenfall – Die Vision (Episode 11)