Thriller: Seelenfall – Verloren (Episode 17)

Episode 17

Verloren

War das alles wirklich geschehen? Die Zeit schien verlangsamt, fast wie stehengeblieben und er spürte seinen Puls bis in seine Ohren pochen. Jordan hatte sie verloren. Faiths Augen waren nun geschlossen. Er konnte nicht einmal einschätzen, für wie lange sie geschlossen bleiben würden. Jordan hatte den Übergang nicht stoppen können.

Während er auf ihre geschlossenen Lider starrte, schlich sich die traurige Erkenntnis in seine Gedanken ein, dass er sie vielleicht für immer verloren hatte. Sie war ihm entglitten, um nur wenige Augenblicke hatte er den richtigen Moment verpatzt, um sie vor dieser Tragödie zu verschonen. Der Fruchtsaft hätte ihr helfen können, doch er war zu spät dran gewesen.

Eine Sache von wenigen Sekunden, die sie vor dem Unvermeidlichen hätte retten können. Jetzt lag sie vor ihm, friedlich schlafend und auf dem Rücken liegend, ihre langen Haare wie Sonnenstrahlen in alle Richtungen fließend. Ihr Bewusstsein würde so schnell nicht wieder kommen, da sie sich jetzt höchstwahrscheinlich in einer Paralleldimension befand. In einem beinahe endlosen Traum.

Dort würde sie nach Antworten suchen, ein Abenteuer erkunden oder vielleicht sogar sinnlos durch die Gegend irren. Jordan hatte in der Tat verloren. Und das in der Nacht seines Geburtstages. Ratlos und nachdenklich überlegte er, wie seine nächsten Schritte sein würden. Er musste sie dringend in ein Krankenhaus schaffen. Ein Auto hatte er nicht, außerdem war er noch immer nicht nüchtern von der letzten Partynacht.

Jordan zog sein Handy aus seiner Tasche und starrte auf den Bildschirm. Jetzt würde es ziemlich unangenehm werden. Doch seine Unachtsamkeit hatte dazu geführt, dass Faith seine versteckten Medikamente probiert hatte. Wieso hatte er sie nicht einfach weggeschlossen?

Niemals wäre er auf die Idee gekommen, dass Faith seine Sachen durchwühlen würde, geschweige denn von seinen Vizauds-Tabletten kosten würde.
Es nützt alles nichts. An dieser Misere trägst du die alleinige Schuld und jetzt wirst du es ausbaden müssen.

Er schaute noch ein letztes Mal auf das friedliche Hintergrundbild seines Smartphones, wählte dann den Notruf auf dem digitalen Ziffernfeld. Nach nur wenigen Freizeichen meldete sich eine Frau am Apparat. Nach der Stimme zu urteilen, war sie weder jung noch alt. Er tippte auf eine Frau mittleren Alters.
„Hallo, nächtliche Notrufzentrale hier. Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Frau in den Hörer hinein und klang dabei besorgt.

Jordan versuchte genau zu beschreiben, was passiert war und gab seinen Namen und seine Adresse durch. Nachdem er aufgelegt hatte, dauerte es nicht lange, bis er im Hintergrund die Sirenen des Notrufwagens hörte, die sich seiner Straße näherten. Sie wurde vorsichtig auf die Trage gelegt und in den Krankenwagen transportiert. Die ganze Zeit über blieb Jordan bei ihr und versuchte, seine Tränen im Zaum zu halten.

„Kann ich mit ihr mitkommen, Sir?“, fragte er einen der Sanitäter, nachdem er ihm den tragischen Vorfall immer wieder und wieder geschildert hatte.
„Ich verstehe deine Sorgen, Junge. Doch du solltest jetzt besser zuhause bleiben. Wir haben hier alle Hände voll zu tun.“
Das letzte, was Jordan sah, war der rasende Krankenwagen, der mit Sirenen und blinkenden Lichtern davonfuhr.
Es ist vorbei. Ich habe sie verloren.

Wie würde Jordan mit den Geschehnissen der heutigen Nacht umgehen? Er wusste es nicht.

Doch so leicht wollte er sich nicht abspeisen lassen. Er stand am Straßenrand und wählte die nächstbeste Taxi-Zentrale an und bestellte sich ein Taxi in Richtung Krankenhaus. Dort angekommen versuchte er herauszufinden, in welchem Raum Faith behandelt wurde. Als er es endlich herausfand, ließ man ihn nicht passieren und so wartete er auf einem der Besuchersitzplätze im Flur gegenüber. Stunden vergingen und Jordan bekam kein Auge zu.

Die Ärzte sprachen von einem tiefen Koma, aus dem sie so schnell nicht erwachen würde. Geduld und Zeit sei nötig, sagten sie. Man würde sie in dieser Zeit zwangsernähren müssen und es war nicht abzusehen, wann und ob sie wieder aufwachen würde.

Es würde mehr als ein trauriges Jahr vergehen, in dem Jordan Nacht für Nacht am Krankenbett Faiths verweilen würde, um ihr unschuldiges Gesicht zu beobachten, zu ihr zu sprechen und für sie zu beten. Während dieser Zeit würde er sein komplettes Leben auf den Kopf stellen. Doch das hatte er sich redlich verdient. Davon war er überzeugt.

Zur nächsten Episode geht es hier:
Thriller: Seelenfall – Der Schlüssel (Episode 18)