Beicht-Sofa: Das letzte Blind-Date meines Lebens! #9

„Nie wieder ein Blind-Date!“

Männlich, 21, anonym, trifft eine wichtige Entscheidung, was das Chatten im Internet angeht. Nach seinem ersten Blind-Date beschließt er, keine Frau mehr zu daten, wenn sie ihm nicht zuvor ein deutlich erkennbares Bild von sich zugesendet hat. Damit er nie wieder so eine Panne wie neulich erleben muss.

„Online war sie eine sympathische Dame erster Klasse“

Als ich sie zum ersten Mal im Online-Chat traf, schätzte ich die Sympathie und Intelligenz, die mir diese Frau entgegenstrahlte. Es waren zwar nur digitale Schriftzüge auf einem Display und dennoch wirkte diese Frau anziehend auf mich, denn sie war zuvorkommend, lieb und verständnisvoll. Für mich schien es fast so, als ob sie einen Tick zu harmonisch auf meine Antworten reagierte. Wir unterhielten uns noch stundenlang über die zahlreichen Themen des Lebens: Familie, Liebe, und persönliche Interessen und Werte. Sie war in Ordnung, nein, sie war perfekt, dachte ich mir dann irgendwann.

„Sie war einfach ein Traum, bis dieser mit dem Blind-Date zerplatzte…“

Es vergingen ein paar Tage. Aus Tagen wurden Wochen. Und wir verstanden uns und schrieben uns in jeder freien Minute. Wie zwei Online-Schwerverliebte es anfangs gewohnt sind, verbrachten wir viel Zeit mit Messages, telefonierten und schmiedeten bereits die ersten Pläne, wie unser erstes Treffen wohl sein würde.

„Ausreden über Ausreden… und das nur, um das Blind-Date zu verhindern“

Ja, sie war eine traumhafte Frau. In meinen Träumen zumindest! Sie beschrieb ihre Figur als normal und sagte, dass sie hübsch sei. Das gefiel mir, da mir eine normale Frau lieber war als eine zu dürre Frau. Eine attraktive, nett anzusehende Frau, die ein Jahr jünger als ich war. So speicherte ich sie als erstes in meinen Illusionen ab. Und das, obwohl ich sie noch nicht gesehen hatte.

„Sie sträubte sich, Fotos zu versenden. Da hätte ich misstrauisch werden sollen…“

Ich wollte sie natürlich auch treffen. Da wir uns mehrere Monate Zeit gelassen hatten, um uns zu sehen, war es an der Zeit, seiner Geliebten in die Augen blicken zu können. Dass sie mir auf mehrmalige Anfrage keine Fotos von sich schicken wollte, verwunderte mich anfangs. Doch ich akzeptierte es, weil die Sympathie und die Anziehung vorhanden war. Also wartete ich. Bis wir ein Date vereinbarten. Bis zum vermeintlichen Tag des Blind Dates vergingen noch ein paar Tage und nur Stunden davor kam dann die Ernüchterung. Sie konnte sich nicht treffen und musste absagen, denn es war was dazwischen gekommen. Bauchschmerzen, familiäre Pflichten und vieles mehr. Kreativ war sie ja. Mit der Zeit gewann ich jedoch den Eindruck, dass sie versuchte, das Blind-Date aufzuschieben. Wieso nur?

Das erste Blind-Date (Monate später)

Wir diskutierten und versuchten herauszufinden, was diese junge Frau dazu bewegte, unserem einzigartigen Blind-Date auszuweichen. Ihre Ausreden verloren mit jedem Mal mehr an Ideenreichtum und jede dieser weiteren Ausreden wurde zu einem kreativen Konstrukt der Lügen. Das ging so eine ganze Weile, bis die Entscheidung endlich einstimmig wurde. Sie war bereit, sich zu treffen. Wir vereinbarten einen öffentlichen Treffpunkt aus und ich wartete am besagten Tag auf sie. Als sie sich dem vereinbarten Treffpunkt näherte, betete ich, dass nicht sie meine Auserwählte sein würde. Schließlich wusste ich nicht, wie sie aussah. Ich erwartete eine dunkelhaarige Schönheit, doch dem war nicht so. Die Kleidung, die meine Liebste gewählt hatte, ähnelte einer Kluft aus einem düsteren Film. Die Haare waren ungepflegt, das Gesicht war verziert mit Akne der feinsten Sorte. Die Vorstellung, die ich mir von meiner Auserwählten gemacht hatte, verblasste mit den nicht zu verleugnenden Details ihres Aussehens.

„Unangenehm wurde es sofort, auch wenn da noch das Gefühl der Sympathie war, das man über die Monate hin geschätzt hatte“

Das Aussehen der Dame war das Gegenteil von dem, was ich mir vorgestellt hatte. Es schien eine Lüge gewesen zu sein, dass sie mir weis gemacht hatte, sie sei hübsch und besäße eine gute Figur. Denn was mir da entgegenschwappte, war nicht zu vergleichen mit einer hübschen Brünette. Ungepflegt, nicht mein Typ, einfach komplett das, was ich mir nicht vorgestellt hatte. Außerdem war sie doch ein wenig fülliger, als sie das behauptet hatte. Ich möchte sagen, dass diese Frau viel Zeit in mich investiert hatte und ich genauso in sie. Doch jetzt verstand ich, wieso sie sich weigerte, mir ein Bild von sich zu schicken oder sich nach einigen Wochen zu einem Blind-Date zu bewegen. Sie hatte wohl geahnt, dass ich im Anschluss von ihr ablassen würde.

„Sie war einfach nicht mein Fall“

Allein die Tatsache jedoch, dass sie gelogen hatte, forderte einen schnellen Rückzug von mir. Das Aussehen der Dame turnte mich einfach nicht an. Wir plauschten ein wenig und verstanden uns. Ich redete auch, um die Stille zu überbrücken, und währenddessen ratterte es in meinem Kopf. Es musste schnell ein Plan her, damit ich verschwinden konnte. Sie öffnete sich mir, fühlte sich jedoch unsicher. Sie war schüchtern gewesen, doch das machte mir nichts aus. Doch sie bemerkte womöglich, dass ich sie auf der Attraktivitätsskala wohl doch nicht so hoch einstufte. Langsam sprangen meine Pupillen von einer Straße zur anderen. Was, wenn man mich mit dieser Lady entdeckte? So konnte ich mich nicht sehen lassen. So leid es mir für dieses Mädchen leid tut, da war einfach keine Anziehung da.

„Die Ausrede, um meinem ersten Blind-Date ein Ende zu setzen, war die schlechteste meines Lebens…“

In meinem Kopf ratterte es immer noch. Ich wollte einfach weg von ihr und den ganzen Lügen. Ich musste es schaffen, mich von dieser Frau zu distanzieren. Da fiel mir die dümmste Ausrede ein, die ich spontan zu bieten hatte. Es kam ganz plötzlich herausgesprudelt und unterbrach unser wortkarges Gespräch, das wir uns so mühsam aufgebaut hatten. Ich sagte ihr, dass ich noch dringend einkaufen müsse. Ich machte ihr bewusst, dass dieser Einkauf viel bedeutete und sehr wichtig für mich sei. So verabschiedeten wir uns mit einer letzten Umarmung. Am gleichen Tag noch versuchte ich ihr beizubringen, dass es keine Zukunft zwischen uns geben würde. Sie trauerte und auch ich trauerte. Doch die Zeit würde unsere Wunden heilen. Und ich versprach mir eines hoch und heilig: Nie wieder ein Blind-Date!

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