Thriller: Seelenfall – Der Trip (Episode 13)

Episode 13

Der Trip

03:04 Uhr in der Nacht, Jordans Apartment

Faith fühlte sich wohl in Jordans Armen. Während sie ihn küsste, begann sich ein snythetisches Medikament namens Vizauds in ihrem Zentralnervensystem auszubreiten, und Serotonine überströmten ihre Neuronen. Gemischt mit dem Alkohol in ihrer Blutbahn, verstärkte sich die Wirkung des auditiven Visualisierungsprozesses. Die psychoaktiven Areale ihres Gehirns wurden mittlerweile von den Vizauds überflutet und stimuliert. Sie spürte und fühlte eine zunehmend starke Bindung, die sie und Jordan verband.

Jordan befand sich im schönsten und schlimmsten Moment zugleich, den er sich vorstellen konnte. Die Visionen hatten ihm bereits mehrmals prophezeit, dass es mit Faith kein gutes Ende nehmen würde, wenn sie sich mit ihm umgab. Er musste sich unbedingt von ihr abwenden, die Vizauds waren gefährlich genug, wenn Faith sie entdeckte.

Doch gerade eben war Faith wie eine sanfte Katze, der es danach war, mit seinem ganzen Körper zu schmusen. Eine Welle von angenehmen Gefühlen machte sich in seinem Körper breit. Es wurde immer schwieriger, sie abzuwimmeln. Doch es war höchste Zeit, zu handeln, denn später würde er es nicht mehr schaffen. Daher ergriff er die nächstbeste Möglichkeit, um sie vor ihm selbst zu schützen und sprach aus, was ihm spontan einfiel.

„Hey Babe, du gehst ganz schön ran“, sagte er, während er sie anlächelte.
Faith blinzelte in Jordans Richtung.
Doch etwas war nicht normal, der Raum begann zu zittern, die Wände, die Schränke und Möbel, surrten surreal in ihrem eigenen Abbild wie eine entfernte Fata Morgana.
War das real? Wieso kann ich diese Sachen sehen?
Sie konnte nicht anders, als Jordan direkt in die Augen zu sehen. Hinter ihm war alles verschwimmend und schien in die Ferne gerückt. Leise Musik drang aus den Wänden.
Kann das sein? Läuft hier irgendwo Musik?

Sie drehte sich um, entfernte sich von Jordan und sah sich die Wände genauer an.
Was ist bloß mit diesen Wänden los?
Sie pulsierten und waren gar nicht fest, sondern wie eine elastische Gummischicht, die kleine und unregelmäßige Wellen schlug. Sie berührte die Wand und starrte fasziniert auf das visuelle Spektakel. Sie drehte sich erst nach wenigen Minuten wieder zu Jordan um. Seine Augen hatten dieses besondere Etwas. Ein Leuchten drang aus seinen Augen, erst glimmte nur das Innere der Pupillen, doch dann verwandelten sich seine Augen in ein Spektrum aus mehreren Farben, die immer intensiver zu leuchten begannen. Die Musik in ihrem Kopf wurde lauter, Gesänge wanderten durch ihre Gedanken und klangen genauso schnell wieder ab.

Sie wandte sich von der Wand ab und wollte wissen, was es mit den Augen Jordans auf sich hatte.
Ich werde dich anspringen, lieber Jordan. Um herauszufinden, was du mit deinen Augen angestellt hast.
Sie starrte ihn noch ein paar Sekunden fasziniert an, bevor sie sich spontan dazu entschied, ihn auf seinem Bett zu überraschen, indem sie ihn ansprang.
Jordan, du bist ein Lichtmonster.
Faith begann laut zu lachen. Ihr Lachen hörte sich irre an.

Er hatte das Elend bemerkt, als sie ihn so seltsam anschaute. Außerdem hatte Jordan bemerkt, dass sie die Wände auffällig lange begutachtet hatte, als ob Gold aus den Wänden fließen würde.
Eins war sicher: Faith hatte Vizauds genommen. Und er wusste nicht, wie viele davon.

Da sie so unvorsichtig gewesen war und seine Sachen im Bad durchkämmt hatte, war der erste Schritt der Vision wohl erfüllt worden.
Faith hat getrunken, und sie hat mindestens eine der Vizauds geschluckt.
Er hatte nicht viel Zeit. Sonst würde sie in den Untergrund des Bewusstseins wandern, um dort ewig zu verweilen.
Fünf Minuten.

Jetzt muss es schnell gehen. Während Faith noch an der Wand abgelenkt war, eilte er in die Küche, um ein Glas Orangensaft einzuschenken. Dazu schüttete er noch sein Spezialrezept. Eine Mischung aus Vitaminen und natürlichen Wachmachern.
Das wird ihr helfen, so wie es mir auch immer geholfen hat.
Die Ascorbinsäure neutralisierte die Wirkung der Vizauds bereits innerhalb weniger Sekunden, vorausgesetzt, man verabreichte sie einem innerhalb von fünf Minuten.

Als er sich wieder auf sein Bett setzte und gerade nach Faith rufen wollte, hörte er Faiths Lachen. Sie war sichtlich amüsiert. Er konnte gerade noch so aus den Augenwinkeln erkennen, dass sich Faith dazu entschieden hatte, einen riskanten Sprung in seine Richtung zu wagen.

Der Orangensaft spritzte durch die Gegend, als Jordan mitsamt des Glases auf das Bett zurückgestoßen wurde. Mit ihrem Kopf voraus traf sie ihn mit rasanter Wucht mitten auf seine Brust. Das Glas mit dem Orangensaft prallte erst auf das Bett, um dort eine Sauerei aus spritzendem Fruchtwasser und Fruchtfleisch anzurichten und prallte dann auf dem Boden auf. Nach einem wenig glücklichen Aufprall zerschellte das Glas auf dem Boden.

Konnte das wahr sein? War diese Frau auf Steroiden? Was war das für eine Wucht?
Bei ihm war dieser spontane Energieschub bisher ausgeblieben, wenn er sich den Vizauds widmete.
Er versuchte sich schnell wieder aufzurichten, denn Vizauds machten Faith scheinbar hyperaktiv.

Faith wusste nicht, wie ihr geschah. Ihre Umgebung hatte sich erneut verändert. Sie war nicht mehr bei Jordan in der Wohnung, sondern auf einer riesigen Wiese, auf der sie sich austoben konnte.
Als sie auf dem Bett landete und Jordan zu Fall brachte, wurde die Bettwäsche nass vom Orangensaft.
Jordan, der sich nach dem wuchtigen Stoß erst mal wieder fangen musste, um wieder auf die Beine zu kommen, sah Faith neben ihr auf dem Bett sitzen. Sie fasste in die Pfütze aus Orangensaft, die langsam in der Matratze versank. Dabei strahlte sie und erzählte etwas von einem prächtigen und klaren See.
„Jordan, möchtest du mit mir im See schwimmen gehen?“, fragte sie ihn strahlend und fast schon verstört.
„Selbstverständlich, Faith. Lass mich nur noch meine Badesachen anziehen.“

Jordan hatte es wirklich versaut. Er hätte vorsichtiger sein sollen. Nun wurde es noch viel brenzliger für ihn, denn er hatte noch nur wenige Sekunden, bis sie den Trip ihres Lebens erleben würde.

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