Thriller: Realitäten eines Androiden – Neustart (Episode 1)

Episode 1

Der Neustart des Androiden

An einem verlassenen Ort, fernab von jeglicher menschlicher Zivilisation, brannten die einsamen Lichter der unterirdischen Forschungseinrichtung, als der Doktor seine neuesten Konstruktionspläne genauer einstudierte. Es ist spät in der Nacht, als der Forschungsleiter kurz vor dem letzten Update seines neuesten Androiden-Modells steht. Die Erfindung des Prototyps Jeffrev-X war der bisher erfolgreichste Geniestreich, den Dr. Brievs auf sein Konto verbuchen konnte. Sein Verdienst war mehr als nur ein Durchbruch in der Geschichte der Roboterforschung, der die Menschheit mit höchster Wahrscheinlichkeit langfristig verändern konnte.

Man hatte im Forschungsgremium einstimmig entschieden, seine Leistungen mit einem Orden für die Präsentation des fortschrittlichsten Roboters zu ehren, doch er hatte seinen Prototypen noch ein letztes Mal modizifiert, um ihn möglichst authentisch zu gestalten. Davon wusste das Gremium allerdings nichts.

Der Prototyp „Jeff“ verfügte über fortgeschrittene menschliche Intelligenz, die auf Basis menschlichen Wissens und emotionsbasierter Datenbanken in die Festplatte des Bordcomputers eingespeist wurde. Natürlich war seine Intelligenz künstlich erzeugt worden, dennoch ahmte die Basis seiner KI den menschlichen Verstand nach und konnte somit beste Ergebnisse in seinen Forschungsarbeiten liefern.

Dazu wurde der Android mit Inhalten aus globalen sozialen Netzwerken, Filmen aller Kulturen, Serienproduktionen aus allen Genres und Tonaufzeichnungen und Büchern, sowie mit Musik gefüttert. Und obwohl seine Intelligenz synthetisch programmiert wurde, verhielt sich sein Geist wie der eines Menschen.

Dr. Brievs hatte großen Wert darauf gelegt, dass der Roboter möglichst viele natürliche und menschliche Eigenschaften zu Tage brachte. Dazu hatte er den Androiden mit Schmerzsensoren, Gefühlen und einem Gewissen ausgestattet.

Zudem hatte er dem Roboter das Aussehen eines Menschen gegeben. Mit einem von ihm entwickelten Rezept schuf er ein neuartiges Oberflächengewebematerial, das der Haut des Menschen ähnelte und fast identische Eigenschaften aufwies. So nahm der Roboter das Aussehen eines Mannes mittleren Alters an. Seine Bartstoppeln waren etwa zwei Tage alt, sein Gesichtsausdruck ernst und nachdenklich. Er sah so real aus wie jeder andere Mensch. Für den neutralen Betrachter bedeutete dies, dass er den Unterschied zu einem normalen Menschen nicht erkennen konnte. Dieser Android konnte fast als die perfekte Kopie eines Menschen durchgehen.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, seinen Prototypen Jeff zum letzten Mal zu aktivieren. Die vorherigen Male, bei denen er den Androiden zum Leben erweckt hatte, war er zu Studienzwecken in verschiedenen Szenarien eingesetzt worden. Unter Beobachtung selbstverständlich. Man wollte dokumentieren, was dieser Android tat und wie er sich verhielt. Die Festplatten wurden jedoch wieder auf Null gesetzt. Man hatte ein neues Programm aufgesetzt, das er „Projekt 301“ nannte. In dieser Simulation ging der Proband davon aus, dass er 37 Jahre alt war. Außerdem wurde dem Probanden ein Gedächtnischip implantiert, der ihn mit den Höhen und Tiefen des Lebens konfrontieren sollte.

„Ein letztes Mal noch, Jeff. Ab jetzt wirst du frei sein“, flüsterte der Doktor nostalgisch.

Brievs überprüfte nochmals die einzelnen Konfigurationen im System und tauchte den Androiden in die Flüssigkeit mit der künstlichen Haut ein. Der Verschluss erfolgte problemlos und die Kunsthaut trocknete schnell und ohne Rückstände. Die Trage mit den Rollen, auf dem sich der Android befand, schob er gemütlich vor sich her, bis er neben einem modernen Güteraufzug Halt machte.

Er aktivierte den Androiden mit einem Knopfdruck hinter seinem Ohr, um ihn in den Standby-Modus zu versetzen. In diesem Zustand konnte der Doktor die letzten Vorkehrungen treffen.
Es ist fast soweit.

Mit leichten Mühen legte er den fertigen Prototypen in der vorgesehenen Transportkapsel ab. Diese würde ihn direkt in eine simulierte Szene bringen. Beim letzten Check der Systeme, schien alles in Ordnung zu sein.

Dann lassen wir die Spiele beginnen, Kumpel.
Zufrieden und voller Erwartungen bewunderte Dr. Brievs, der auch „Briev“ genannt wurde, seine neueste Kreation. Im letzten Schritt programmierte er den ersehnten Neustart, der den Androiden anhand seines Gedächtnischips in seine eigene Realität werfen würde. In zehn Minuten würde es soweit sein.
„Bereite mir keine Schande, Jeff. Du bist einzigartig.“

Mit diesen letzten Worten verließ er den Aufzug, schloss die Türe und betätigte den Knopf.
Nun geht es wieder zurück in eine neue Simulation. Dein Reboot ist überfällig.

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Thriller: Realitäten eines Androiden – Simuliertes Glück (Episode 2)

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